BIOGRAPHIE

Luciano Castelli ist ein Schweizer Maler, Grafiker, Fotograf, Bildhauer und Musiker.

Castelli besuchte bei Max von Moos den Vorkurs der Kunstgewerbeschule, lernte danach Schriftmaler und war anfangs der 1970er Jahre die Schlüsselfigur der Luzerner Bohème. Castelli und seine Wohngemeinschaft gingen in die Kunstgeschichte ein durch Schnappschüsse, die der Künstler Franz Gertsch in monumentale fotorealistische Malereien umsetzte. Neben «Luciano Castelli I», «At Lucianos House» und «Marina schminkt Luciano» war das vor allem «Medici», ein Gruppenporträt «der langhaarigen Freaks um den schrillen Maler Luciano Castelli», das zum «eigentlichen Titelbild von Harald Szeemanns documenta 5» wurde. Castelli, der 1971 seine erste Einzelausstellung zeigte, war – gerade mal 21-jährig – auch als Künstler an der Documenta 5 eingeladen, wo er Skulpturen von Alltagsgegenständen wie einen Schuh oder ein Taschentuch präsentierte, die gleichzeitig als «Chiloum», als Rauchpfeife verwendet werden konnten. Castelli wurde zum Szenestar.

Viel verdankte er dabei Jean-Christophe Ammann, dem ehemaligen Assistenten von Szeemann und Direktor des Kunstmuseums Luzern, welcher ihn mit Gertsch in Kontakt und an die Documenta gebracht hatte. 1974 zeigte Ammann in seiner bahnbrechenden Ausstellung «Transformer – Aspekte der Travestie» androgyne Fotos von Castelli und bemerkte: «Travestie bedeutet ihm weniger ein grundsätzliches Verhalten zwischen den Geschlechtern als vielmehr die expressive Verheiratung eines männlich realisierenden und eines weiblichen, durch Verfügbarkeit gekennzeichneten Pols.» In der Ausstellung war auch der Surrealist Pierre Molinier vertreten, der in der Folge mit Castelli korrespondierte und ihn für Fotos inszenierte. Waren die androgynen Selbststilisierung beeinflusst von der Ästhetik des Glam Rock, begann Castelli bald darauf sich in weiteren Rollen auszuloten, die vom Jungkonservativen über den Filmstar bis zu Sado-Maso-Looks reichten.

1978 zog Castelli nach Berlin und landete im Kreis um die Galerie am Moritzplatz, zu der er mit seiner expressiven, schnellen Malerei passte. Die Maler, die sich vom Intellektualismus und der Strenge der 1970er-Avantgarden abgrenzten, gingen als Neue Wilde in die Kunstgeschichte ein. Mit Rainer Fetting malte Castelli Gemeinschaftsbilder ebenso wie mit dessen Lebensgefährten, dem Künstler Salomé. Mit Salomé gründete er die avantgardistische Punkband Geile Tiere, bei der er sang und Bass spielte. Die Band war eng verbunden mit dem Berliner Club Dschungel und erlangten durch schrille Auftritte Bekanntheit. Mit Salomé und Fetting unternahm Castelli 1982 eine Tour mit Performance-Konzerten durch Frankreich.

Castelli liess sich 1989 in Paris nieder und heiratete 1991 Alexandra, die er immer wieder malte. Er experimentiert mit einer selbstgebauten Camera Obscura und entwickelt seine Revolving Paintings. Diese können gedreht werden und haben keine definierte Oberkante. Je nachdem wie sie gehängt werden, sehen Betrachter andere Gesichter, Körper oder Stadtansichten. Die Motive «überlagern und durchdringen sich gegenseitig, liegen manchmal flach oder stehen auf dem Kopf, geben vermeintlich abstrakte Strukturen vor und erweisen sich oftmals erst dann als gegenständlich gebunden, wenn das dazugehörige Motiv ‹geradesteht›», schreibt Peter K. Wehrli.

Zurzeit erlebt Castelli ein wachsendes Interesse an seinem Werk. Seine fotografischen Selbstporträts sind in einem Band des Zürcher Kunstverlags Edition Patrick Frey erschienen und in einer breiten Übersichtsausstellung in Paris gezeigt worden. 2015 präsentiert das National Art Museum of China in Peking eine grosse Ausstellung zum malerischen Werk, die danach ans Contemporary Art Museum in Shanghai geht. Für China liess Castelli Motoren entwickeln, mit denen sich die Revolving Paintings langsam um 360° drehen.